Digitaler Börsengang von Neufund Unternehmensanteile in der Blockchain - geht das?

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Wertpapiere müssen übertragbar sein

„Die Bafin prüft grundsätzlich keine technischen Infrastrukturen“, heißt es von der deutschen Finanzaufsicht. „Stellt uns ein Unternehmen sehr kurzfristig eine für die aufsichtliche Beurteilung relevante und uns bisher nicht bekannte Neugestaltung eines Projekts vor, verlangen wir hierfür auch regelmäßig Nachweise, da wir uns nicht auf bloße Behauptungen verlassen können. Dieses Vorgehen entspricht der Verwaltungspraxis der BaFin.“

Neufund präzisiert im Gespräch mit der WirtschaftsWoche, dass man einen Dienstleister beauftragt habe, um die technische Funktionalität der Equity-Tokens bei der Bafin nun zu belegen.

Offizielle Bestätigungen gibt es nicht, aber nach Informationen der WirtschaftsWoche soll es im Kern darum gehen, ob die Equity-Tokens von Neufund als Wertpapier behandelt werden können oder müssen. Denn Neufund will technisch einschränken, dass die Tokens zwischen Inhabern gehandelt werden können. Damit wären sie aber keine Wertpapiere mehr, denn deren zentrale Eigenschaft ist laut Gesetz gerade die Übertragbarkeit.

„Wir haben unsere Tokens rechtlich und technisch so konstruiert, dass sie nicht übertragbar sind”, sagt Adamovicz. „Für uns als Start-up ist es aktuell nicht vorteilhaft, wenn die Anteile unmittelbar handelbar wären“, sagt sie. Haltefristen für Frühinvestoren sind auch bei regulären Börsengängen üblich. „Diese Einschränkung kann aber jederzeit durch einen Gesellschafterbeschluss aufgehoben und technisch umgesetzt werden“, sagt sie.

Aus ihrer Sicht gibt es auch keinen Grund, warum Blockchain-Anteile nicht übertragbar sein sollten: „Alle Anlagen müssen übertragbar sein. Wie sollten man sie sonst vererben können? Wenn wir die Übertragbarkeit ausschließen würden, hätten wir doch, bildlich gesprochen, das erste Auto gebaut, das zwar gekauft, aber nicht wieder verkauft werden könnte.“

Dass Investoren erst ab einer Summe von 100.000 Euro Equity-Tokens von Neufund erwerben können, hat mit dieser technischen Frage dagegen nichts zu tun. Es ist vielmehr eine rechtliche Absicherung.

Ausnahme von der Prospektpflicht

Neufund sieht seinen Equity-Token selbst als Vermögensanlage. Für solche Papiere – zum Beispiel auch stille Beteiligungen oder Nachrangdarlehen – gelten andere Rechtsvorschriften als für Wertpapiere. Für den Fall, dass die Finanzaufsicht den Token aber als Wertpapiere einstufen sollte, hat Neufund die Mindeststückelung auf 100.000 Euro angehoben, um keinen Prospekt veröffentlichen zu müssen, wie sonst bei Börsengängen üblich.

„Durch die Erhöhung der Mindeststückelung auf 100.000 Euro kann eine Ausnahme von der Prospektpflicht nach dem Wertpapierprospektgesetz in Anspruch genommen werden und Wertpapierekönnen ohne Prospekt angeboten werden“, erklärt die Bafin.

„Wir streben ja keinen Börsengang mit diesem Angebot an“, sagt Gründerin Adamovicz. „In der frühen Phase, in der wir uns mit unserem Unternehmen befinden, wollen wir natürlich noch keine so detaillierten Informationen über unser Geschäft preisgeben.“ Denn vergeben Start-ups abseits der Blockchain in einer Privatplatzierung Anteile, müssen sie der Öffentlichkeit auch keine Details preisgeben.

Dennoch wird Neufund mit dem Start der Zeichnungsfrist kommende Woche nach eigenen Angaben ein Dokument veröffentlichen, das Investoren Angaben zum Geschäftsmodell, zur Verwendung der Einnahmen und zur finanziellen Lage des Unternehmens geben soll.

„Jedes Unternehmen, das unsere Finanzierungsplattform künftig nutzen wird, muss solche Informationen bereitstellen, selbst dann, wenn es gesetzlich nicht gefordert ist“, sagt Adamovicz. „Wir wollen es nutzen, dass die Blockchain mehr Transparenz bietet als bisherige Finanzierungsmechanismen.“

Dass dennoch Unklarheit aufseiten der Finanzaufsicht und Unmut aufseiten des Start-ups besteht, zeigt, wie nervös alle Beteiligten auf dem deutschen Markt mittlerweile in Bezug auf Blockchain-Projekte geworden sind.

Schlicht deshalb, weil nicht nur eine deutscher, sondern ein EU-weiter Konsens der Gesetzgeber fehlt, wie mit den Projekten umzugehen ist. Die Start-ups meinen, es benötige spezifische Regulierung für ihre digitalen Blockchain-Wertpapiere. Länder wie Malta haben bereits spezifische Blockchain-Gesetze erlassen, auch Liechtenstein arbeitet daran.

In Deutschland sieht es dagegen vielmehr danach aus, dass die Tokens im Blockchain-Neuland sich an bestehenden Richtlinien orientieren müssen. Das macht es für Gründerinnen wie Adamovicz, die an vorderster Front Innovationen vorantreiben, nicht immer einfach.

Bei Anlegern sorgt es dagegen für Rechtssicherheit. Auch wenn Kleinanleger in Fällen wie diesem dann nicht zu den ersten gehören, die in die innovativen Projekte investieren können.

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